Mars Direct Entstehungsgeschichte
Dr. Robert Zubrin, ein anerkannter Raumfahrtingenieur und Marsforscher, gründete auf der Basis seines Engagements für bemannte Marsmissionen 1998 die Mars Society zusammen mit Deutschland und Frankreich. Die Mars Society hat heute mehr als 40 Ableger in der ganzen Welt.
„Mars Direct“ ist sein Plan für bemannte Marsmissionen und stammt in seiner ursprünglichen Form aus seiner Tätigkeit 1991 als Ingenieur bei der US Raumfahrtfirma Martin Marietta Astronautics (siehe Publikation AIAA-91-0328, 1991). Der Missionsplan wurde seitdem mehrfach von Zubrin überarbeitet.
Zubrin ging davon aus, dass der Start von unbemannten und bemannten Raumschiffen zum Mars aus Kosten- und Sicherheitsgründen direkt von der Erde aus zum Mars erfolgen muss, und dass dazu eine Rakete der Saturn 5–Klasse mit einer Kapazität von 130 t Nutzlast in eine Erdumlaufbahn, entsprechend etwa 50 t zum Mars ausreicht, um sukzessive eine fast beliebig grosse Infrastruktur auf dem Mars zu errichten, die sogar eine stetig anwachsende Zahl von Marsbewohnern versorgen kann. Versorgungsraumschiffe können direkt von der Erde zum Mars und zurück, ohne „Zwischenlandug“ mit Koppelmanövern im Weltall. Somit gibt es bei Mars Direct keine risikoreichen und technisch aufwendigen Koppelmanöver im Weltraum -ein wesentliches Sicherheits- und Kostenmerkmal des Marsmissionskonzepts von Zubrin. Weiterhin werden Menschen erst dann zum Mars geschickt, wenn dort bereits eine nachgewiesen funktionierende Infrastruktur für das Leben von Menschen und eine sichere Rückkehr zur Erde besteht.
Detaillierte Berechnungen zeigten bald, dass unter diesen Voraussetzungen und bei Verwendung bereits existierender Technologien 4 Astronauten mit einem entsprechenden Missionsplan sicher zum Mars und zurück gebracht werden können.
Mit der Verwendung bereits existierender Technologien aus den Apollo und ISS Programmen sollen Entwicklungskosten begrenzt und utopische Neuentwicklungen vermieden werden, wie sie bei manchen Plänen der NASA auftauchen wie z.B. Nuklear- und elektrische Antriebe.
Gegenüber den NASA Plänen würden sich die Kosten für die Umsetzung des Mars Direct Szenarios von mehrern Hundert auf etwa 50 Milliarden $ verringern.
Das Mars Direct Konzept steht bewusst in krassem Gegensatz zu den außerordentlich aufwendigen und teuren Vorstellungen der NASA für bemannte Marsmissionen, für die nach Meinung der NASA erst einmal umfangreiche Technologie-Programme und Missionen zum Mond und in den tiefen Weltraum (z.B. Asteroiden) erforderlich sind. Außerdem sehen die NASA Pläne separate Mars Orbiter, Mars Lander und Mars Transfer Raumfahrzeuge vor. Alles das verursacht nach Meinung von Robert Zubrin eine Aufwand an Kosten Zeit, die der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln sind und deshalb das Zustandekommen bemannter Marsmissionen verhindern wird. Außerdem würde jeder Unfall im Rahmen solch eines Vorbereitungsprogramms die Fortführung des weiteren Programms bis hin zur bemannten Marsmission infrage stellen. Merke: Unfälle sind umso wahrscheinlicher, je zahlreicher die Elemente in einem Program sind und je länger das Gesamtprogramm dauert. Demgegenüber erscheinen die Erfolgsaussichten einer "Mars Direct" Mission unter Anwendung bereits erprobter Technologien ohne "Zwischenstopps" in Erd- und Marsumlaufbahnen und den damit verbundenen Koppelmanövern wesentlich größer.
Der Mars Direct Missionsplan ist mit soliden Berechnungen untermauert, die in dem Buch „The Case for Mars“ und zahlreichen weiteren Veröffentlichungen dokumentiert sind.
Grundidee von Mars Direct ist die Verwirklichung einer möglichst kostengünstigen und gleichzeitig sicheren bemannten Marsmission unter der weitgehenden Verwendung bereits existierender Technologien aus der Apollo- und Nach-Apollozeit bis hin zur ISS. Die für die Mission erforderlichen Träger entsprechen der Saturn 5 von Wernher von Braun für das Apollo Programm. Mit einer solchen Rakete könnten etwa 50 t Nutzlast zum Mars befördert werden. Das wird im Missionsplan als Richtschnur genommen für die Masse von Raumfahrzeugen zum Mars.
Das Mars Direct Konzept ermöglicht innerhalb des Missionsplans (siehe nächstes Kapitel) eine Erforschung des Mars in einem Umfang, wie er mit Robotern niemals möglich ist. Eine dauerhafte Besiedlung des Mars mit immer mehr Menschen wäre durchaus denkbar mit einer Vielzahl von Missionen. Ob das vom Aufwand her möglich und wünschenswert ist, ist eine andere Frage.
Der Mars Direct Missionsplan
Für die „Mars Direct“ Mission werden Raketen mit der Kapazität der Saturn V benötigt. Die erste Mission (Year 1)ist unbemannt und dient dazu, auf dem Mars eine Infrastruktur zu etablieren, die der zwei Jahre später landenden Mannschaft von vier Astronauten das Überleben und eine Rückkehr zur Erde sichert selbst dann, wenn deren Landefahrzeug aus technischen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollte, zur Erde zurückzukehren oder bei der Landung havariert. Das ist ein wesentliches Sicherheitsmerkmal des Mars Direct Missionsplans. Mit der ersten Mission werden nämlich neben einem Wohnmodul auch ein Rückkehrmodul, ein kleiner Mars Roboter, ein 100 KW Nuklearreaktor zur Stromerzeugung und eine Anlage zur Erzeugung von Raketentreibstoff zum Mars transportiert und dort automatisch installiert.
Da die nächste –bemannte- Mission erst innerhalb des nächsten Startfensters, also 26 Monate nach dem unbemannten Raumschiff den Mars erreichen wird (Year 3), besteht genügend Zeit, alle diese Prozesse auf dem Mars durchzuführen und alle Systeme zu überprüfen bezüglich ihrer Funktionsfähigkeiten und Zuverlässigkeit.
Die zweite Marsmission startet 26 Monate nach der ersten. Dann starten zwei Raumschiffe zum Mars, eines unbemannt und eines bemannt. Das unbemannte bringt Versorgungsgüter und Geräte mit, unter anderem ein leistungsfähiges bemanntes Transportfahrzeug. Das zweite Wohnmodul und das zweite Rückehrfahrzeug, die gleichzeitig auf den Weg zum Mars gebracht werden, erhöhen die Sicherheit der Mannschaft auf dem Mars und für eine Rückkehr zur Erde. Falls die Landung aufgrund von Fehlern zu weit von der ursprünglichen Landestelle erfolgt, soll das mitgeführte Fahrzeug es den Astronauten ermöglichen, eine Strecke von bis zu 1000 km zu überwinden.
Frühestens ca. 1,5 Erdjahre nach ihrer Ankunft auf der Marsoberfläche können die Astronauten mit dem bereitstehenden Rückkehrraumschiff den Mars wieder verlassen und zur Erde zurückkehren.
Wiederum 26 Monate später (Year 5) werden zwei weiter Raumschiffe zum Mars geschickt, wie bei der zweiten Mission eines unbemannt und eines bemannt, und so die auf dem Mars verfügbare Infrastruktur weiter ergänzt. Nach Vorstellung von Zubrin könnte so im Verlauf der Jahre eine immer größere Anzahl von Menschen auf dem Mars siedeln.
Grundsätzlich lässt sich mit diesem Missionsszenario langfristig eine immer größere und leistungsfähigere Infrastruktur mit immer mehr Bewohnern auf dem Mars installieren. Es ist auch durchaus vorstellbar, dass langfristig eine immer größere Autonomie erreicht wird, zum Beispiel durch Nahrungserzeugung auf dem Mars und immer besseres Recycling der verbrauchten Ressourcen. Ob aber jemals auch eine atembare Atmosphäre und damit eine "Begrünung" des Mars möglich sein werden, ist aufgrund des unvorstellbar hohen technischen Aufwands und des Jahrhunderte von Jahren dauernden Prozesses mehr als fraglich, und wird damit wohl eine Vorstellung von Science Fiction Romanen bleiben.
Ob andererseits das Leben auf dem Mars unter den gegebenen Bedingungen auf dem Mars wirklich "lebenswert" ist, müssen "die Betroffenen" entscheiden und die Geldgeber für eine solche Besiedlungsstrategie, die bereit sind, für deren enorme Kosten aufzukommen.
Erzeugung von Treibstoff, Wasser und Sauerstoff auf dem Mars
Mit einer Anlage, die nach dem erprobten Sabatier-Konzept arbeitet, wird mit dem von der Erde mitgebrachtem leichten Wasserstoff und dem 16x schwereren Sauerstoff, der aus dem CO2 der Marsatmosphäre gewonnen wird, mit Hilfe des Sabatier-Prozesses der Raketentreibstoff CH4 hergestellt, mit dem der Rückkehrteil des Landefahrzeugs aufgetankt wird, um eine Rückkehr der 26 Monate später landenden ersten Mannschaft zur Erde zu ermöglichen.
Aus 6 Tonnen Wasserstoff und dem Kohlendioxid der Marsatmosphäre entstehen so 24 Tonnen Methan und 48 Tonnen Sauerstoff, die bei den tiefen auf dem Mars herrschenden Temperaturen als Flüssigkeiten gespeichert werden. Zusätzliche 36 Tonnen Sauerstoff können durch Elektrolyse von Kohlendioxid gewonnen werden. Von den so erzeugten 108 Tonnen Treibstoff und Oxidationsmitteln werden 96 Tonnen für die Rückkehr zur Erde benötigt, der Rest wird für den Antrieb von Fahrzeugen auf der Marsoberfläche verwendet. Auch auf der ISS wird so bereits C02 recycelt.
Die Frage der Schwerelosigkeit
Da im Weltraum Schwerelosigkeit herrscht und eine Adaption an die Marsschwerkraft danach Probleme verursachen und Zeit kosten würde, wird die Oberstufe der Startrakete mit einem Seil von mehreren Hundert Metern Länge, einem sogenannten „tether“ (Spannseil) an dem bemannten Raumschiff befestigt, das System in Rotation versetzt und damit eine künstliche Schwerkraft erzeugt. Kurz vor der Landung in unmittelbarer Nähe des unbemannten Schiffs wird die Seilverbindung wieder getrennt, nachdem die Rotation wieder rückgängig gemacht wurde.
Die Erzeugung künstlicher Schwerkraft während des Flugs zum Mars mit einem „tether“ und deren Rückgängigmachung am Mars ist mit zusätzlichen Sicherheitsrisiken verbunden.
Die Frage der Weltraumstrahlung
In vielen Veröffentlichungen wurde die Weltraumstrahlung, der Astronauten auf dem Flug zum Mars und auf dem Mars ausgesetzt sind, als "Show-Stopper" bemannter Marsmissionen angesehen. Dabei wird übersehen, dass bereits viele Astronauten über längere Zeit der Strahlung aus dem Weltraum ausgesetzt waren, ohne dass, selbst nach mehreren Jahren, gesundheitliche Schäden oder sonstige Beeinträchtigungen eingetreten sind. Obwohl sie aufgrund ihrer Aufenthaltsdauer im Weltraum zum Teil einer höheren Strahlendosis ausgesetzt waren als sie bei einer Reise zum Mars auftritt, wie aus der Tabelle zu erkennen ist.
Im Übrigen ist eine Abschirmung selbst gegen Flares hochenergetischer Strahlung bei einem Flug zum Mars möglich, wenn das für die Reise vorgesehene Wasser (oder Abwasser) als Abschirmung verwandt wird. Es wäre also möglich, bei Auftreten von flares, die gut vorausgesagt werden können, Schutz hinter einem entsprechend ausgeformten Wasserbehälter zu suchen. Eine 20 cm dicke Wassersäule reicht dafür aus.
Auf dem Mars kann bereits eine Regolithschicht von weniger als 50 cm Dicke einen sehr guten Strahlenschutz bieten.
Offene Fragen
- Bisher gibt es Erfahrungen mit bemannte Missionen unter Schwerelosigkeit und Isolation von der Erde für Missionsdauern bis etwas über einem Jahr. Bisher wurden eine Reihe gesundheitlicher Probleme beobachtet, die auf die Schwerelosigkeit zurückzuführen sind. Wie sich eine mehrere Jahre andauernde Reduzierung der Schwerkraft auf die des Mars auswirken würde, bedarf weiterer Untersuchungen. Eine Langzeiterprobung auf der Erde unter reduzierter Schwerkraft ist kaum möglich
- Das gegenwärtige Lebenserhaltungssystem der ISS ist nur sehr bedingt für eine Marsmission mit einer Dauer von bis zu 5 Jahren geeignet, da es sehr wartungsbedürftig ist und einige Elemente sogar zur Überholung zurück zur Erde transportiert werden. Das Erreichen einer fast wartungsfreien Lebenszeit von 5 Jahren erfordert umfangreiche Verbesserungen und Langzeiterprobungen, die vor der Mars Direct Mission abgeschlossen sein müssen
- für die Treibstofferzeugung auf dem Mars nach dem Sabatier-Prozess müssen die existierenden Technologie-Entwicklungen zu zuverlässigen und langlebigen Geräten weiterentwickelt werden
- die Aufarbeitung von Atemluft, menschlichen Ausscheidungen und Abfällen für eine Wiederverwendung ist bisher noch unvollständig und würde heutzutage noch die Mitnahme erheblicher Mengen von Nahrung, Wasser und Atemluft zum Mars erfordern
- Möglichkeiten zur Erzeugung von Nahrung auf dem Mars mit der erforderlich Menge und Qualität sind noch in weiter Ferne, Grundsatzuntersuchungen hierzu stecken noch in den Kinderschuhen
- die Beseitigung von trotz Wiederaufbereitung anfallenden Abfällen auf dem Mars ist offen
- eine Gesundheitsfürsorge ähnlich der auf der Erde ist auf dem Mars unmöglich aufgrund der fehlenden dafür erforderlichen Einrichtungen
- ein Strahlenschutz für die Astronauten auf dem Mars erfordert entsprechende strahlengeschützte Wohnmöglichkeiten, oder es müssen Wohnmöglichkeiten im Marsuntergrund geschaffen werden. Für entsprechende Bauarbeiten müssten wiederum die dafür benötigten Gerätschaften vorgesehen werden
- Aufenthalte auf dem Mars außerhalb von strahlengeschützten Räumen oder Fahrzeugen, zum Beispiel für länger andauernde Arbeiten oder lange Exkursionen sind gesundheitsgefährdend und müssen begrenzt werden
- der Einfluss der reduzierten Schwerkraft auf den menschlichen Körper für Zeiträume bis zu 5 Jahren ist ungeklärt. Bisher sind Langzeitaufenthalte unter Schwerelosigkeit von etwas über einem Jahr auf der ISS ausgewertet mit dem Ergebnis von einer Reihe von gesundheitlichen Beeinträchtigungen
- der Einfluss einer langzeitigen Isolation von der Erde auf die menschliche Psyche unter beengten Verhältnissen, in totaler Isolation von der Erde und mit den immer gleichen wenigen „Ansprechpartnern “ ist ungeklärt bzw. umstritten
Die angesprochenen offenen Fragen müssten bereits vor Beginn des Mars Direct Programms gelöst sein. Auf allen diesen Gebieten gibt es zwar bereits Untersuchungen, Forschungen und Entwicklungen, allerdings ist man von einer Anwendungsmöglichkeit für bemannte Langzeitmissionen noch weit entfernt.
Eine Alternative für die zu geringe Lebensdauer von Einrichtungen und Geräten wäre die Mitnahme zum Mars von großen Mengen an Ersatzteilen, Austauschaggregaten und Reparaturmöglichkeiten. Das würde die zum Mars zu transportierenden Massen gegenüber den Berechnungen für die Mars Direct Mission erheblich vergrößern und die Missionskosten erhöhen.