MIRIAM2 Weltraumtest
Von MIRIAM1 zu MIRIAM2
Das MIRIAM2 Programm baut auf den Erfahrungen mit der nur teilweise erfolgreichen MIRIAM1 Mission auf, bei der wesentliche Funktionen des Entwurfs sowie das Verhalten des Ballons beim Eintritt in die Atmosphäre nicht nachgewiesen werden konnten.
MIRIAM2 soll 2021 in den Weltraum starten. Die DLR-MoRaBa bietet der Mars Society Deutschland eine Mitfluggelegenheit auf einem passenden Träger an und organisiert die gesamte Startkampagne in Kiruna in Nordschweden.
Eine Reihe von Änderungen von MIRIAM2 gegenüber MIRIAM1 sollen diesmal einen vollen Missionserfolg garantieren. Das sind:
- der leistungsfähigere Träger, der eine Ausdehnung der Dauer der MIRIAM2 Mission gegenüber der MIRIAM1 Mission erlaubt. Das erleichtert die Missionsablaufplanung und erlaubt zum Beispiel, einen größeren zeitlichen Sicherheitsabstand zwischen der Trennung von MIRIAM2 von der Rakete und für das Entfalten des Ballons vorzusehen
- MIRIAM2 ist diesmal der einzige „Passagier“ der Rakete. Das erlaubt eine flexiblere Missionsplanung als wenn, wie bei MIRIAM1, noch weitere Nutzlasten an Bord wären
- DLR-Moraba stellt für MIRIAM2 eine gerollte Raketenspitze (Ogivemantelform) zur Verfügung. Das gestattet eine feste Verbindung zwischen MIRIAM2 und der Raketennase, sodass eine Integration von MIRIAM2 mit der Raketennase erst am Startort, wie sie bei MIRIAM1 erforderlich war, vermieden wird, und ein Trennvorgang weniger stattfindet. Damit wird das Risiko für die Mission verringert. Das erfordert umfangreiche konstruktive Änderungen von MIRIAM2 gegenüber MIRIAM1, was auch den relativ langen Entwicklungszeitraum zwischen den Starts von MIRIAM1 (2008) und MIRIAM2 (2020) erklärt
- Die Trennung von MIRIAM2 von der Rakete erfolgt diesmal mit einem bewährten Trennsystem der DLR-Moraba. Das erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Missionserfolgs, da bei MIRIAM1 der dabei verwendete und zuvor nicht in einer Mission erprobte Trennmechanismus aufgrund einer verspäteten Trennung zu dem teilweisen Mißerfolg der Mission führte
- Der Ballon von MIRIAM2 wird konstruktiv näher an den Anforderungen für eine Marsmission sein aufgrund der für die Verbindung der einzelnen Ballonsegmente entwickelten Schweißtechnik, einer weniger störanfälligen Ballon-Aufblastechnik und umfangreicher Entwicklungs- und Funktionstests
- Der in den Ballon integrierte Geräteträger wurde signifikant weiterentwickelt und wird unter Schwerelosigkeit während Parabelflügen qualifiziert.
- MIRIAM2 ist nun so modular konstruiert, dass eventuell noch am Startplatz die Battereien ausgetauscht werden können -zum Beispiel nach einem Startabbruch oder längeren Startverzögerungen-, oder dass noch am Startplatz Reparaturen oder Abgleicharbeiten vorgenommen werden können. Das war bei MIRIAM1 nicht möglich, da es hierzu erforderlich gewesen wäre, den Ballon aus seinem Behälter auszupacken, den Geräteträger aus dem Ballon auszubauen, und nach dem Eingriff alles wieder zusamenzubauen und den Ballon neu zu verstauen. Das wäre aber am Startplatz nicht möglich gewesen, hätte also zu einem Abbruch der Startkampagne geführt
- für das Aufblassystem sollen für MIRIAM2 bereits erprobte und verfügbare Ventile verwendet werden. Das führt zu einer robusteren Konstruktion des Aufblassystems
- Der Zusammenbau von Rakete und MIRIAM2 am Startplatz ist einfacher aufgrund des einfacheren und erprobten Trennsystems. Eventuell kann MIRIAM2 sogar schon in Deutschland vor dem Transport nach Kiruna zum Startplatz mit der Rakete zusammengabaut und ausgetestet werden, sodass am Startplatz nur der Gesamtsystemtest wiederholt werden muss.
- Der zur Verfügung stehende Entwicklungszeitraum für MIRIAM2 ist mit etwa 13 Jahren mehr als doppelt so lang wie für MIRIAM1 und erlaubt deshalb ausführlichere Tests und damit eine höhere Funktionswahrscheinlichkeit während der Mission, als das bei MIRIAM1 aufgrund des Zeitdrucks möglich war. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass bei einem auf freiwilliger Mitarbeit beruhenden Projekt, in dem fast alle Mitarbeiter beruflich tätig sind, längere Entwicklungszeiten erforderlich sind als vorher angenommen worden war. Außerdem muss darauf Rücksicht genommen werden, dass kostenlose Testmöglichkeiten bei der IABG sich natürlich danach richten müssen, ob gerade kein kommerzielles Programm die Testeinrichtungen beansprucht
- Aufgrund des längeren zur Verfügung stehenden Entwicklungszeitraums können mehr Analysen, Entwicklungs- und Qualifikationstests durchgeführt werden als das bei MIRIAM1 aufgrund des Termindrucks möglich war. Das erhöht die Funktionssicherheit von MIRIAM2 gegenüber MIRIAM1
Konstruktion von MIRIAM2
Die Konfiguration von MIRIAM2 spiegelt die Änderungen wider, die sich gegenüber MIRIAM1 aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede ergeben. Das Servicespacecraft (SSC) von MIRIAM2 wird diesmal direkt in die Hülle der Raketenspitze fest integriert. Dadurch kann die Funktion von MIRIAM2 vollständig noch vor dem Transport soweit ausgetestet werden, dass Fehlermöglichkeiten nicht erst am Startort gefunden werden, wie es bei MIRIAM1 für die Trennvorrichtung der Fall war.
Insgesamt verspricht die Konstruktion von MIRIAM2 eine zuverlässige Funktion aufgrund eines gegenüber MIRIAM1 wegfallenden Trennvorgangs - die Nutzlastverkleidung bleibt mit dem Service Spacecraft fest verbunden - und der Verwendung erprobter Trennvorrichtungen.
Wesentliche weitere Konstruktionsmerkmale sind:
- Für den Ballonbehälter mit den Mechanismen für das Entfalten, Aufblasen und Freisetzen des Ballons wurde das grundlegende Konstruktionsprinzip von MIRIAM1 beibehalten mit der „Blüte“ als bienenwabenförmigem Ballonbehälter. Jedoch wurden die Mechanismen für das erste Entfalten des Ballons und die Freisetzung nach vollendetem Aufblasen grundlegend anders ausgelegt. Jetzt kommen bereits vielfach in Raumfahrtprojekten bewährte sogenannnte „wire cutter“ zum Einsatz mit pyrotechnischen Auslösern, die jeweils redundant ausgelegt sind. Dadurch ergibt sich eine hohe Funktionssicherheit.
- Für das Aufblassystem wird nicht mehr ein einzelnes gepulstes Ventil benutzt -das sich als Schwachstelle bei MIRIAM1 herausgestellt hatte, auf Grund seiner nicht ausreichend nachgewiesenen Funktionssicherheit-, sondern zwei handelsübliche Ventile. Dabei wird die erforderliche Änderung der Durchflussmenge während des Aufblasvorgangs durch Einzel- bzw. Parallelschaltung der Ventile erreicht. Umfangreiche Untersuchungen und Versuche haben die Funktionsweise dieses Konzepts bewiesen.
Weiterentwicklung des Ballons
Die für MIRIAM2 zur Verfügung stehende Entwicklungszeit erlaubt aber insbesonders die Weiterentwicklung des Ballons hin zu mehr Gemeinsamkeiten mit dem für ARCHIMEDES geplanten Marsballon, der einen Durchmesser von 10m bis 16m haben wird (MIRIAM2-Ballon: 4m), abhängig von der gewünschten Abstiegsgeschwindigkeit des Ballon zur Marsoberfläche und der möglichen Masse des ARCHIMEDES Systems *). Dazu gehören
- eine Weiterentwicklung der Nahttechnik gegenüber MIRIAM1 hin zu größerer Maßhaltigkeit, Robustheit und Dichtigkeit des Ballons
- die Einführung der Schweißtechnik für die Nähte anstelle der zuvor verwendeten Klebetechnik
- die Anwendung verfeinerter und genau definierter Fertigungstechniken und -einrichtungen zur Sicherstellung der Reproduzierbarkeit der Fertigung vom Ingenieurmodell zum Flugmodell
*) abhängig von Masse und Volumen, die vom Trägersatelliten zur Verfügung gestellt werden
Außerdem werden in den Geräteträger des Ballons weitere Sensoren eingebaut, die -im Vergleich mit MIRIAM1 - weitere wertvolle Erkenntnisse zum Verhalten des Ballons während des Aufblasvorgangs, der Trennung vom Aufblassystem und während des Eintritts in die Atmosphäre und beim Abstieg liefern sollen:
- eine in den Ballon blickende Videokamera, die die Verformung des Ballons registrieren soll. Hierzu werden im Ballon besonders ausgeformte Markierungen für die Fotogrammetrie angebracht, deren räumliche Bewegungen aufgenommen und nach der Mission ausgewertet werden
- ein GPS zur Unterstützung der Bahnvermessung
- Vibrationssensoren und Mikrofon, die die niederfrequenten Schwingungen des Ballons messen sollen.
- verbesserte Baken, um nach der Mission den durch den Atmosphärendruck zusammengedrückten und deshalb abgestürzten Ballon mit seinem Geräteträger orten und bergen zu können. Das ist erforderlich, um die gespeicherten Videoaufnahmen des Balloninneren auswerten zu können, da die Videodaten aufgrund der hohen Bitrate nicht direkt zum Boden übertragen werden können
Nicht zuletzt stehen für MIRIAM2 auch aktuellere Bauteile zur Verfügung, die die Entwicklung erleichtern.
Weiterentwicklung des Geräteträgers
Der MIRIAM2 Geräteträger (Instrumentenpod) unterscheidet sich wesentlich gegenüber MIRIAM1
- Der Instrumentenpod ist im eingebauten Zustand von außen zugänglich
- zusätzlich zu MIRIAM1 wird in den Ballon eine nach innen gerichtete Videokamera eingebaut, deren hochauflösende Aufnahmen nach der Mission geborgen werden
- umfangreichere Avionik aufgrund der zahlreicheren Sensoren und weiteren Experimente
Dadurch wird die Aussagekraft der MIRIAM2 Mission erhöht und ein Zugang zum Instrumentenpod auch noch am Startplatz möglich, falls erforderlich. Die durch die Änderungen bewirkte Erhöhung des Gewichts des Geräteträgers wird bei der Auswertung der aero-thermodynamischen Daten der Mission berücksichtigt.
MIRIAM2 Missionsablauf
Diesmal wird MIRIAM2 der einzige Passagier der Rakete sein, die diesmal ein gegenüber der MIRIAM1 Mission leistungsfähigeres zweistufiges Modell sein wird. Bei der MIRIAM1 Mission musste sich MIRIAM1 die zweistufige REXUS4-Rakete mit weiteren Experimentatoren teilen, was eine Reihe von Einschränkungen MIRIAM1-Design zur Folge hatte. Daher kann MIRIAM2 optimal an die Rakete angepasst werden.
Aufgrund der Erfahrungen mit MIRIAM1 wird diesmal für die Trennung von MIRIAM2 von der Rakete eine erprobte Trennvorrichtung der DLR-MoRaBa verwendet. Außerdem stellt die DLR-MoRaBa eine Nutzlastverkleidung (nosecone) zur Verfügung, in die MIRIAM2 fest installiert werden kann. Dadurch wird ein kritischer Trennvorgang eingespart.
Der Start von MIRIAM2 ist für Frühjahr 2021 geplant. Der Missionsablauf ist weitgehend identisch mit dem von MIRIAM1, nur wird diemal eine zweistufige Rakete verwendet, die eine höhere Gipfelhöhe der ballistischen Bahn erreichen kann. Der Abschusswinkel der Rakete und die erreichte Höhe bestimmen die Flugzeit, die Eintrittsgeschwindigkeit und den Eintrittswinkel des aufgeblasenen Ballons. Die für die Entfaltung des Ballons zur Verfügung stehende Zeit von weniger als 6 Minuten erfordert eine optimale Auslegung der Aufblas- und Trennsysteme von MIRIAM2. Die genaue Registrierung dieser Funktionsabläufe ist deshalb, neben dem eigentlichen Ballonatmosphäreneintritt, ein sehr wichtiges Missionsziel. Dafür sind neben der Übertragung aller Messdaten in Echtzeit mehrere Kamerasysteme vorgesehen:
- mehrere Kameras, die auf dem mit der Rakete fest verbunden bleibendem Kameramodul angebracht sind und den Trennvorgang von MIRIAM2 und den Beginn des Aufblasvorgangs festhalten sollen. Deren Daten werden über die Sender der Rakete zum Boden übertragen
- zwei Videokameras am Service S/C, die an zwei ausklappbaren Kameraarmen befestigt sind und den gesamten Aufblas- und Trennvorgang festhalten sollen. Deren Daten werden in Echtzeit mit einem eigenen Sender zum Boden übertragen
- Die oben erwähnte in den Ballon schauende Videokamera wird während der ganzen Mission Aufnahmen auf einen integrierten Datenträger vornehmen. Diese Daten können aufgrund der hohen Datenrate nicht in Echtzeit zum Boden übertragen werden. Deshalb muss die Kamera bzw. der Datenträger nach Ende der Mission geborgen werden, was trotz des zu erwartenden harten Aufschlags des Geräteträgers auf den Boden möglich ist, wie die Ergebnisse der MIRIAM1 Mission gezeigt haben. Dafür wird der Geräteträger mit Funkbaken ausgerüstet, die dessen Ortung gestatten. Außerdem wird der Bahnverlauf des Ballons aufgrund der Austattung mit GPS und Beschleunigungsmessern recht genau rekonstruierbar sein. Diese Daten werden zusammen mit anderen Sensordaten wie Temperaturen, Spannungen, Ströme in Echtzeit zum Boden übertragen. Da der Ballon bis etwa 70 km vom Startort entfernt herunter kommt und die Sendeleistung begrenzt ist, sind die zu empfangenden Datenraten begrenzt.
Die Funktionen des Service S/C werden werden ebenfalls genau registriert und in Echtzeit zum Boden übertragen, da das Service S/C ebenso wie der Ballon ungebremst in die Atmosphäre eintritt und zu Boden stürzt.
Entwicklungsplan
Der Zeitplan berücksichtigt die längere zu Verfügung stehende Entwicklungszeit von etwa 13 Jahren für MIRIAM2, die ausreichend Zeit für Entwicklungstests bietet.
Die Entwicklung von MIRIAM2 hat Mitte 2009 begonnen und umfasst
- Untersuchungen zur Gesamtkonfiguration von MIRIAM2 und dem Ballon-Aufblassystem
- Fertigung und Test von Ballonelementen
- Entwicklung einer robusteren und maßhaltigeren Ballonnahttechnologie
- Entwicklung der Schweißtechnik für die Verbindung der Ballonelemente
- Weiterentwicklung des Geräteträgers (Instrumentenpod) des Ballons und seiner Elektronik und Software
- Weiterentwicklung des Ballonbehälters hin zu einer sichereren Freisetzung, Aufblasung und Abtrennung des Ballons
- Fortführung der Ballonentwicklung mit Material- und Fertigungstests
Im Mai 2011 wurden die Anforderungen an MIRIAM2 über eine formelle Projektüberprüfung (PRR-Preliminary Requirements Review) überprüft und festgeschrieben.
Ende 2012 wurde der Entwurf festgelegt. Im November 2013 wurde die Fertigung des Ingenieurmodells des MIRIAM-2 Ballons fertiggestellt und der Ballon zu Testzwecken aufgeblasen. Die Fertigung des Flugballons wurde 2016 beendet.
Entwicklungs- und Test Programm
Die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen der beiden MIRIAM Programme wurden über umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen, Geräteentwicklungen und Bodentests ermittelt, die im ARCHIMEDES Teil dieser Webseite beschrieben sind:
Die Funktion des Ballon-Auswurfs aus seinem eng verpackten Zustand heraus ist ein besonders kritischer Teil der ARCHIMEDES und MIRIAM Missionen. Dabei hat die Konstruktion des Ballonbehälters mit seinem Mechanismus zur Freisetzung des Ballons eine besonders wichtige Funktion, die nur unter Schwerelosigkeit schlüssig getestet werden kann. Deshalb wurden diese Funktionen bereits zweimal während Parabelflügen unter Schwerelosigkeit getestet, zuerst 2005 mit einem ersten Entwurf und zuletzt im November 2015 mit dem nach für MIRIAM-2 entwickelten System. Da dieser Test nur ein Teilerfolg war, wurde im November 2017 ein weiterer Parabel-Flugtest ausgeführt, der erfolgreich verlief