Missionsablauf

Nach der derzeitigen Planung könnte die ARCHIMEDES Marsmission so aussehen:
Der Trägersatellit mit ARCHIMEDES wird als zusätzlicher Passagier zum Beispiel einer Ariane 5 Mission in eine elliptische Erdumlaufbahn befördert und dort ausgesetzt in einer „Parkbahn“, in der der Satellit solange verweilt, bis eine günstige Konstellation Erde-Mars erreicht wird. Das kann bis zu einem Jahr dauern.
Dann steuert der Satellit mithilfe seines Antriebssystems auf eine Marsbahn und schwenkt dort in eine Marsumlaufbahn ein. Der Flug zum Mars wird etwa 6 Monaten dauern.
Nach Erreichen der vorgesehenen Marsumlaufbahn wird ein geeigneter Zeitpunkt für das Aussetzen von ARCHIMEDES abgewartet, dann wird ARCHIMEDES ausgesetzt. Mithilfe seines Antriebs erreicht ARCHIMEDES die erforderliche Marseintrittsbahn, der Ballon mit dem Geräteträger wird entfaltet, mit Helium auf einen Innendruck von etwa 20 mBar aufgeblasen und anschließend freigesetzt für seine wissenschaftliche Mission. Das Antriebsmodul mit dem Ballonbehälter und dem Aufblassystem verbrennt in der Marsatmosphäre.
Eintrittsgeschwindigkeit und –Winkel des Ballons müssen sehr genau vorherbestimmt werden. Dazu wird die tatsächliche Bahn des Antriebsmoduls mit ARCHIMEDES nach der Trennung vom Satelliten sehr genau vermessen und anschließend die erforderliche „Abbremsung“ bestimmt und eingeleitet.
Der Trägersatellit bleibt als „Orbiter“ auf seiner Umlaufbahn, verfolgt ARCHIMEDES und dient als Relaisstation zur Übertragung der ARCHIMEDES Daten zur Erde. Grundsätzlich könnte aber jede Marssonde, die sich zum Zeitpunkt der ARCHIMEDES Mission im Marsorbit befindet, ARCHIMEDES Daten zur Erde übertragen, da die benutzten Frequenzen und Kodierungen der Daten weitgehend international standardisiert sind. Dadurch wird es ermöglicht, dass sich die Satelliten und/oder die verschiedenen Empfangseinrichtungen der Betreiber von Marssonden und Marslandegeräten gegenseitig „aushelfen“.
Verstauen und Aufblasen des Ballons im Weltraum
Der Ballon muss in möglichst eng verpacktem Zustand zum Mars transportiert werden, um das benötigte Volumen so klein wie möglich zu halten. Nach Erreichen der Marseintrittsbahn muss der Ballon dann in kurzer Zeit entfaltet, aufgeblasen und freigesetzt werden. Das ist ein komplizierter Vorgang, da der Ballon nach der langen „Lagerung“ erst einmal vorsichtig entfaltet und dann schrittweise aufgeblasen werden muss.

Verstauung des Ballons in einem Behälter, aus dem er später vollautomatisch freigesetzt wird, um aufgeblasen zu werden (hier für das ARCHIMEDES Simulationsprogramm MIRIAM-2)
Alles das muss vollautomatisch erfolgen, da ein Eingriff von der Erde aus nicht möglich ist aufgrund der langen Signallaufzeit.
Es musste also eine technische Lösung dafür gefunden werden, einen Ballon möglichst eng verpackt zum Mars zu befördern, ihn dort nach bis zu 18 Monaten Verweildauer auszupacken, zu entfalten, aufzublasen und freizusetzen. Hierzu wurde am Institut für Raumfahrttechnik der Universität der Bundeswehr zusammen mit dem Institut für Leichtbau der so genannte „ARCHIMEDES Release Mechanism“, kurz ARM, entworfen. Das Herz des Systems ist eine sogenannte "Blüte", ein aus 6 Einzelelementen bestehender Behälter, der den eng verpackten Ballon für den Transport zum Mars enthält. Der Behälter wird wird über einen Mechanismus zusammengehalten, der am Mars auf ein Signal von der Erde hin mittels eines pyrotechnischen Auslösers den Ballon freigibt und damit gleichzeitig die Blüte öffnet und den Ballon über einen Federmechanismus ausstößt, sodaß der Ballon ausgestossen wird und sich aufgrund des in ihm enthaltenen Restgases entfalten kann. Erst danach beginnt der eigentliche Aufblasvorgang.
Der Ballon wird in zwei Paketen verpackt: Zu zwei Dritteln im Hauptpaket, zu einem Drittel in der Vorentfaltungsstrecke. Die erste Stufe des ARM, genannt ARM-Stage-1, wird das Ballonpaket zusammen mit dem Instrumententräger in den freien Weltraum hinaus stoßen, wobei sich durch die Vorwärtsbewegung des Hauptpakets die Vorentfaltungsstrecke öffnet.

Das MIRIAM-1 Aufblassystem. Ähnlich wird das ARCHIMEDES Aufblassystem aufgebaut sein
Anschließend wird die Niederdruckstufe des Aufblassystems eine kleine Menge Helium in die Vorentfaltungsstrecke einblasen, so dass diese sich weiten kann. Nach einer gewissen Zeit wird dann die Hauptstufe des Aufblassystems den Druck erhöhen und den Ballon vollständig aufblasen. Schließlich wird die zweite Stufe des ARM, genannt ARM-Stage-2, den Ballon verschließen und vom Aufblassystem abtrennen.
Die kritische Phase: Aerobraking und Atmosphäreneintritt

Das Antriebsmodul von ARCHIMEDES (bei einem Mitflug mit dem P5-A das gemeinsam verwendete Antriebsmodul) wird nach der Abtrennung vom Satelliten gezündet, sobald die optimalen Bedingungen für einen „Einschuss“ in die Marseintrittsbahn erfüllt sind. Das ist dann der Fall, wenn neben der gewünschten Abstiegs- und Eintrittsbahn zum Mars auch die erforderlichen Bedingungen für das Tageslicht in der Eintrittsgegend, die Sichtbarkeit des Satelliten von ARCHIMEDES aus und die Sichtbarkeit des Orbiters von der Erde aus erfüllt sind. Jetzt befindet sich das ARCHIMEDES auf seiner endgültigen Eintrittsbahn und der Prozess zum Entfalten, Aufblasen und Freisetzen des Ballons kann beginnen. Als erster Schritt wird nun der der Ballon mit seinem integrierten Geräteträger aus seinem Transportbehälter freigegeben. Dann wird der Ballon schrittweise aufgeblasen, wie im vorigen Abschnitt beschrieben mittels der Aufblasvorrichtung von ARCHIMEDES. Ist auch dieser Vorgang abgeschlossen, wird das Antriebsmodul vom Ballon getrennt. Von da ab befindet sich der Ballon ungesteuert auf seiner Eintrittsbahn, und kann mit den wissenschaftlichen Messungen beginnen.

Die Flugbahn ist so gewählt, dass der Ballon erst nach mehrfacher Durchquerung der oberen Marsatmosphäre in die Marsatmosphäre eintritt und absteigt. Dadurch wird eine übermäßige Belastung des Ballons vermieden. Außerdem wird dadurch eine längere Missionszeit erreicht.
Von der Trennung des Ballons vom Antriebsmodul ab bis zum ersten Marsatmosphären-Durchflug besteht die Möglichkeit, über den Satelliten Kontakt mit ARCHIMEDES zu halten. Das ist von Vorteil, da die Daten der Beschleunigungsmesser und möglicherweise auch Bilder vom Anflug direkt übertragen werden können, so dass diese Daten selbst bei einem Verlust des Fahrzeugs zur Verfügung stünden. Außerdem kann so im Falle eines Unfalls die Ursache später möglicherweise rekonstruiert werden, was bei Eintrittskapseln, die sich erst nach erfolgreicher Landung per Funkkontakt melden, kaum der Fall ist.
Daraufhin folgen, je nach Wetterlage und Genauigkeit der Bahn, zwischen einem und acht weiteren Durchflügen durch die Atmosphäre, bis der Ballon letztendlich so langsam geworden und dessen Bahn soweit abgesenkt worden ist, dass er endgültig in die Atmosphäre eintritt und zum Boden absinkt. Die Eintrittsexperimente COMPARE und AMS treten von Anfang an in Aktion und ermöglichen so Messungen der Hochatmosphäre des Mars, die bisher noch weitgehend unerforscht geblieben ist.
Hat das Flugsystem die Schallgeschwindigkeit in einer Höhe von ca. 50-60 Kilometern unterschritten, kann die Nasenkappe vom System getrennt werden. Ab dann können Messungen der Lufttemperatur und Luftfeuchte gemacht werden. Das wären die ersten direkten Messungen und Bilder aus dieser Höhe über dem Mars. Je nach Geländeformationen und Bodenerhebungen am Auftreffpunkt kann der Abstieg durch die Atmosphäre bis zu 60 Minuten betragen. Im Vergleich dazu brauchen klassische Eintrittskörper wie die Kapseln der beiden US-Rover Spirit und Opportunity gerade mal 6 Minuten, um nach dem Passieren einer 122 Kilometer-Höhengrenze den Boden zu erreichen, was aufgrund der starken Erhitzung und der damit verbundenen Plasmaentstehung keine Messungen während des Abstiegs erlaubt.
Grundsätzlich ist das „Ergattern“ einer Mitfluggelegenheit zum Mars für geringe oder gar keine Kosten für einen zusätzlichen „Passagier“ wie ARCHIMEDES mit einer Masse von etwa 80…100 kg nicht so unwahrscheinlich, wie es manchem erscheinen mag. Das wird am Beispiel des Marslanders „Beagle“ deutlich, der erst spät zu der europäischen Marsssonde „Mars Express“ hinzugefügt wurde, da der Träger - eine russische Soyus/Fregat - seine Nutzlastkakazität verglichen mit dem Beginn der Mars Express Entwicklung erhöht hatte. Dadurch stand für Beagle eine zusätzliche Nutzlastkapazität von etwa 100 kg zur Verügung. Bekanntlich war zu „Beagle“ nach dessen Landiung leider kein Kontakt möglich und die Mission gilt als gescheitert. Solch eine Nutzlastreserve ist häufiger als oft angenommen, da ein für eine Mission einmal ausgewählter Träger zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Nutzlast häufig seine Nutzlastkapazität erhöht hat.