Planetare Forschungsballons

Forschungsballons sind auf der Erde zu einem wichtigen Instrument für viele Wissenschaftsbereiche geworden. Ein solches Instrument ist aber auch für die Erforschung fremder Planeten von Bedeutung. Während auf der Venus bereits im Rahmen der sowjetischen VEGA Missionen französische Überdruckballons zum Einsatz kamen, stellte sich die äußerst dünne Atmosphäre auf dem Mars bisher als unlösbares Hindernis dar.

Die sowjetische VEGA Marssonde

Quelle: Wikipedia

Die Ballons der VEGA Missionen wurden in eine kleine Eintrittskapsel gepackt und nach ausreichender Abbremsung am Fallschirm hängend aufgeblasen. Danach wurde das Aufblassystem zusammen mit den Fallschirmen abgesprengt und der Ballon konnte seine freie Fahrt in der Atmosphäre beginnen. Die VEGA-Ballons waren für einen Einsatz in rund 50 Kilometer Höhe vorgesehen.

Dort sind Druck- und Temperaturverhältnisse ähnlich wie auf dem Erdboden, so dass die Ballons mit einer fast sieben Kilogramm schweren Gondel nur einen 3,5 Meter großen Heliumballon benötigten. Darüber hinaus konnte das Flugsystem seine Schwebehöhe beim Aufblasprozess stark unterschreiten, um dann nach erfolgtem Aufblasen auf seine vorgesehene Einsatzflughöhe zu steigen.

Wegen der großen wissenschaftlichen Bedeutung der Ballons wurde immer wieder versucht, diesen Prozess auch an die Bedingungen der Marsatmosphäre anzupassen. Ein ähnliches Experiment, wobei ein Versuchsträger an einem solaren Heißluftballon hängen sollte, war für die russische Mission Mars’96 vorgesehen gewesen. Die gesamte Nutzlast der Mission stürzte allerdings auf die Erde zurück, da die vierte Stufe der russischen Proton-Rakete versagte, nachdem zunächst alles nach einem wahren Bilderbuchstart ausgesehen hatte. Alle anderen Bemühungen dieser Art scheiterten bereits an der Entwicklung der nötigen Technik. Denn anders als die Venus, die eine überaus dichte Atmosphäre besitzt (Oberflächendruck etwa 90 bar, Temperatur rund 450°C), hat der Mars eine sehr dünne Atmosphäre (Oberflächendruck etwa 7 mbar, Temperatur rund -70°C bis +20°C, je nach Ort und Jahres- bzw. Tageszeit). Auf jeden Fall begrenzt die dünne Marsatmosphäre die Absinkdauer.

Während also die VEGA Ballone mit einem Durchmesser von 3,5 Metern und einer recht robusten Ballonhaut schweben konnten, ist für den Mars ein High-Tech-Ballon mit mindestens zehn bis fünfzehn Metern Durchmesser nötig, um eine nennenswerte Nutzlast tragen zu können. Doch weniger das Verhältnis von Ballongröße zu Nutzlast, sondern vielmehr die Problematik, das Ballonpaket mit der Aufblasvorrichtung  in die Atmosphäre einzubringen und wegen der hohen Sinkgeschwindigkeit rechtzeitig aufblasen zu können, ist der für die Durchführbarkeit eines Aufblasens in der Marsatmosphäre entscheidende Faktor. Um dennoch eine solche Ballonmission auf dem Mars durchführen zu können, müssen entweder Wege gefunden werden, die Geschwindigkeit des Eintrittskörpers soweit abzubremsen, dass der Ballon in der Atmosphäre genügend behutsam aufgeblasen werden kann, oder es müssen alternative Methoden entwickelt werden. Hierfür wurden drei prinzipiell denkbare Konzepte auf ihre Verwendbarkeit für ARCHIMEDES untersucht:

  • Aufblasen des Ballons in der Atmosphäre
  • Start des Ballons vom Boden aus
  • Eintritt des Ballons im aufgeblasenen Zustand, ein völlig neuartiges Konzept

Aufblasen des Ballons in der Atmosphäre

Hierbei müssen Wege gefunden werden, die Geschwindigkeit des Eintrittskörpers soweit abzubremsen, dass der Ballon in der Atmosphäre genügend behutsam aufgeblasen werden kann. Zum Beispiel könnte das mit Fallschirmen oder Abbremstriebwerken erfolgen, die aber wiederum das Gewicht des Eintrittskörpers aber stark erhöhen.

Untersuchungen des Jet Propulsion Laboratory der NASA (JPL) im Rahmen des Mars Aerobot Validation Program  (MABVAP) zeigten recht eindrucksvoll, wie schwierig es ist, in der dünnen Mars Atmosphäre einen Überdruckballon an einem Fallschirm hängend aufzublasen, bevor das gesamte Flugsystem am Boden zerschellt. Auch die Mars Society Deutschland hat diese Methode ausgiebig studiert. Allerdings kam das Team noch während der Theoriephase zu der Erkenntnis, dass ein derart schwieriger und komplexer Prozess mit den vorhandenen Mitteln der Mars Society Deutschland nicht durchgeführt werden kann. Das Problem ist, dass aufgrund der dünnen Atmosphäre große Fallschirme benötigt werden, um eine für den Aufblasvorgang ausreichend verringerte Sinkgeschwindigkeit zu gewährleisten. Solche Fallschirme führen jedoch in der Wirbelschleppe der langen, flatternden Hülle eines riesigen Ballons zu einem nahezu chaotischen Verhalten des Gesamtsystems. Diese Erkenntnisse werden durch Videoaufnahmen von Stratosphärenversuchen im Rahmen des MABVAP Programms bestätigt. Das chaotische Flattern beeinflusst nachhaltig die Flugbahn, welche jedoch so genau vorhersagbar sein muss, dass eine Kollision mit Bodenerhöhungen ausgeschlossen werden kann – in der dünnen Marsatmosphäre, in der alle Prozesse in Sekundenbruchteilen ablaufen müssen, eine kaum zu gewährleistende Bedingung.

Start des Ballons vom Boden aus

Eine weitere Alternative bestände im Start des Ballons vom Marsboden aus mit anschließendem Aufstieg in die Marsatmosphäre z.B. in etwa 3 km Höhe und anschließendem freien Flug zu Messzwecken. Hierzu müssten aber Ballon und Aufblasvorrichtung erst einmal sanft bis zur Marsoberfläche gebracht und richtig positioniert werden. Außerdem ist das Aufblasen eines Ballons von 10-15 m Durchmesser auf dem Mars ein schwieriges Unternehmen angesichts der häufig auf dem Mars auftretender Sandstürme.

Daher wurde ein alternatives Konzept entwickelt, wonach der Ballon von einer gelandeten Plattform aus gestartet wird. Allerdings zeigten sich auch hier sehr schnell die technischen Grenzen. Wetterphänomene wie Wind und Windhosen (Dust Devils) in der Nähe des Marsbodens oder die jeweilige Bodenmorphologie könnten zur Zerstörung der großen und leichten Ballonhaut führen, die während des Aufblasens durch ihre Beweglichkeit gegenüber hartem felsigen Untergrund zum fragilen Schwachpunkt des Gesamtkonzepts würde. Hinzu kommen noch der Aufwand und das Risiko für eine Landung auf dem Mars – ein Konzept, das in seiner Komplexität an die Grenzen der technischen Realisierbarkeit stößt.

Für beide Optionen hat es Pläne für Marsballon Projekte gegeben, die aber bisher alle wegen des zu hohen dafür erforderlichen technischen Aufwand und der hohen erforderlichen Masse wieder aufgegeben wurden.

Das ARCHIMEDES Konzept - Eintritt des Ballons im aufgeblasenen Zustand

Schließlich könnte ein mit wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüsteter Ballon schon im Weltraum außerhalb der Marsatmosphäre aufgeblasen werden und anschließend auf einer Eintrittsbahn im freien Flug in die Marsatmosphäre eintauchen und damit sukzessive abgebremst werden, bis er dann relativ sanft zur Marsoberfläche absinkt und damit selbst als „Bremse“ diente. Während der gesamten Flugphase des Ballons würden wissenschaftliche Messungen ausgeführt und über den Trägersatelliten zur Erde gesendet.

Das wäre der technisch geringste Aufwand mit dem geringsten Massenbedarf bei gleicher Nutzlast, wenn es gelänge, den im Weltraum aufgeblasenen Ballon in eine Mars Eintrittsbahn zu bringen, die mit der thermischen und aerodynamischen Belastbarkeit des Ballons in Einklang steht.

Das ist das Prinzip des ARCHIMEDES Konzepts. Dabei würde ein Ballon in gefaltetem Zustand  mittels eines Trägersatelliten zum Mars befördert und dort in einer Marseintrittsbahn abgesetzt. In den Ballon ist ein Geräteträger mit wissenschaftlichen Instrumenten und Sendern integriert, über die die gemessenen Daten über einen Satelliten in der Marsumlaufbahn zur Erde übertragen werden.  ARCHIMEDES muss hierfür neben dem Ballon mit dem Geräteträger über die Einrichtungen verfügen, die zum Verstauen, Ausbringen, Aufblasen und Freisetzen des Ballons in einer Marseintrittsbahn erforderlich sind. Außerdem muss ARCHIMEDES über ein Antriebssystem verfügen, das nach der Abtrennung von ARCHIMEDES vom Trägersatelliten einen Abstieg in eine Marseintrittsbahn ermöglicht.

ARCHIMEDES wäre damit weltweit das erste interplanetare Amateur-Raumfahrtprojekt und die erste Ballonsonde, die zur Erforschung der Marsatmosphäre eingesetzt wird.