Challenger und Columbia Katastrophen-Überlegungen zu zukünftigen bemannten Missionen

Das Space Safety Magazine beschäftigt sich in seinen letzten beiden Ausgaben ausführlich mit den Ursachen der Verluste der beiden Shuttle Orbiter Challenger 1986 und Columbia 2003. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einmal die Hintergründe dieser beiden Katastrophen vor Augen zu führen und Schlüsse daraus zu ziehen für die immer verbleibende Gefährlichkeit bemannter Missionen, besonders während der Start- und Landephasen.

Mit heute bekannter Technologie für den Raumtransport kann eine hundertprozentige Sicherheit für den Erfolg von bemannten Starts in und Landungen aus einer Erdumlaufbahn nicht garantiert werden. Suborbitale Flüge in 100 km Höhe können demgegenüber natürlich sicherer gestaltet werden, da hierbei der auszunutzende aerodynamische Anteil der Mission groß ist und die Flugdauer begrenzt, während bei Raumtransportern die Atmosphäre eher störend ist.

 

Warum ist das so?

Aufgrund der Schwerkraft und der Erdatmosphäre muss mit heute verfügbaren Technologien rund 99% der Energie, die zum Erreichen einer Erdumlaufbahn benötigt wird, für den Transport des Antriebsfahrzeugs selbst aufgebracht werden, nur etwa 1% des Startgewichts verbleibt für die Nutzlast. Für wiederverwendbare System ist das Verhältnis noch ungünstiger aufgrund der für die Wiederverwendbarkeit erforderlichen zusätzlichen Ausrüstung. Als Folge dessen muss bei dem Transportträger und der Nutzlast jedes Gramm nicht unbedingt erforderlicher Masse vermieden werden. Für Flugzeuge ist dieses Verhältnis ganz anders:  ein Airbus A 380 wiegt beim Start etwa 550 t und kann etwa 65 t Nutzlast transportieren -dank der Unterstützung durch die Tragfähigkeit der Luft –während die Lufthülle der Erde für den Raumtransport ein zusätzliches Hindernis darstellt, das technischen Aufwand und Nutzlast kostet.

Grundsätzlich könnte man die Sicherheit der Mannschaft für den Raumtransport durch zusätzliche redundante Systeme, konstruktive Maßnahmen (overdesign) und Rettungssysteme fast beliebig erhöhen. In der Praxis sind diese Möglichkeiten jedoch begrenzt durch die hierfür erforderliche zusätzliche Masse. Sehr schnell würde ein Raumtransportsystem dann so schwer, das es gar nicht mehr abhebt. Es muss also ein tragbarer Kompromiss zwischen Sicherheitsanforderungen, technischer Machbarkeit und tragbaren Kosten gefunden werden.

In der Praxis wird das Erreichen von einem Fehlstart bei 100 Starts schon als großer Erfolg gewertet. Da das für eine bemannte Mission als untragbar hohes Risiko angesehen wird, müssen verschiedene Maßnahmen dafür sorgen, dass die Mannschaft auch bei teilweisem oder vollständigem Versagen des Trägers, bei Fehlern in lebenswichtigen Systemen und bei nicht-nominalen Verhältnissen beim Eintritt in die Erdatmosphäre in Sicherheit gebracht werden kann. Das kostet zwar wiederum zusätzliche Masse, dadurch kann aber die Überlebenschance der Mannschaft um eine bis zwei Zehnerpotenzen erhöht werden, eben bei Beibehaltung einer Nutzlast von etwa 1% des Startgewichts.

Es gibt jedoch Missionsphasen, in denen trotz aller vorgesehenen Rettungsmöglichkeiten eine Rettung der Besatzung nicht möglich ist. Die Katastrophen von Challenger und Columbia haben es leider bewiesen.

Wie ist es dazu gekommen, und was sind die Schlussfolgerungen hieraus für zukünftige bemannte Missionen?

Challenger: hier versagte die bereits –aus Sicherheitsgründen- doppelt ausgelegte Dichtung zwischen den einzelnen Elementen eines der beiden Feststoffboostern. Als Folge traten brennende Gase seitlich in Richtung des nächstgelegenen Wasserstofftanks aus uns brachten damit Challenger zur Explosion. Übrigens blieb wahrscheinlich die Mannschaftskabine intakt, was zuvor niemand erwartet hätte. Die Dichtungen waren zuvor schon immer als kritisch angesehen worden und deshalb „unter Beobachtung“. Allerdings wurde der Start von Challenger angesichts des enormen Erfolgs- und Kostendrucks, unter dem NASA stand, trotz ungünstig niedriger Außentemperaturen beschlossen. Dadurch verloren die Dichtungen offenbar einen Teil der für die Abdichtung erforderlichen Elastizität und gaben nach. In der Folge der Challenger Katastrophe wurde die Zahl der Dichtungen auf drei erhöht und ein Start bei –am Cape Kennedy selten vorkommenden- niedrigen Außentemperaturen unterlassen.

Columbia: Während des Starts von Columbia löste sich ein relativ kleines Teil der Isolation eines der beiden externen Tanks und durchschlug dann unbemerkt den Thermalschutz an einem der beiden Flügel des Orbiters. Das führte dann beim Eintritt in die Erdatmosphäre zu der Katastrophe. Die Anfälligkeit der Isolation beim Start war bekannt, man glaubte jedoch, mögliche Probleme durch Inspektionen vor dem Start in den Griff bekommen zu können. Andernfalls hätte die gesamte Isolation der Tanks neu ausgelegt und qualifiziert werden müssen bei allen Orbitern, was zu für die NASA untragbaren Verzögerungen in der Fertigstellung der ISS und zusätzlichen Kosten des Programms geführt hätte.

Schlussfolgerungen

Es ist müßig zu fragen, ob diese beiden Unfälle vermeidbar gewesen wären. Hinterher ist man immer schlauer. Mit Sicherheit kann man aber wohl sagen, dass aufgrund der nach den Unfällen durchgeführten Änderungen und Maßnahmen dieselben Fehler nicht wieder aufgetreten wären –dafür aber fast unvermeidlich andere, zuvor nicht erkannte. Jedenfalls ist das die feste Überzeugung des Autors.

Beide Fälle zeigen aber auch in exemplarischer Weise auf, dass in einem Raumfahrtprogramm immer Abwägungen zwischen möglichen Sicherheitsrisiken, dem Funktionieren des Gesamtsystems und der Einhaltung der Zeit- und Kostenplanung getroffen werden müssen.

Bei zukünftigen bemannten Raumfahrtmissionen wird es nicht anders sein. Auch da werden Physik und Technik Grenzen setzen zwischen dem Optimalen und dem Machbaren.

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