Elon Musk „geht in die Vollen“-1000 Menschen auf einmal zum Mars!
Am 27. September 2016 präsentierte Elon Musk auf dem International Astronautical Congress in Guadalajara in Mexiko seinen vorab angekündigten Plan für eine Marsbesiedlung, der bereits im Vorfeld große Aufmerksamkeit erhielt, da Musk dafür bekannt ist, Innovationen nicht nur anzukündigen, sondern auch umsetzen zu können. Dieses Vertrauen fusst auf einer ganzen Reihe unterschiedlicher technologisch innovativer Projekte, die Musk verwirklicht beziehungsweise noch vor hat. Es scheint aber, dass Musk sich diesmal sehr weit von der raumfahrttechnischen Realität entfernt hat. Bisherige Projekte bzw. Projektvorschläge von Musk waren
- Das Elektro-Super-Auto Tesla Model S
- Die Billig-Rakete Falcon 9
- Das ISS Versorgungsvehikel Dragon
- Die zukünftige Schwerlast-Rakete Falcon Heavy
- Landung der Erststufe der Falcon 9 für eine Wiederverwendung
- Eine Batteriefabrik zur Senkung der Batteriekosten für elektrisch angetriebene Autos
Deshalb wurde sein angekündigter Projektvorschlag zur Besiedlung des Mars mit Spannung erwartet. Was er dann allerdings präsentierte, überstieg alle Vorstellungen: eine Besiedlung des Mars mit mehreren Millionen Menschen im Verlauf einiger Jahrzehnte. Dafür sollen mit einem Schlag gleich Tausend Menschen mit einer Flotte von 10 Raumfahrzeugen, die jeweils 100 Passagiere samt Gepäck aufnehmen können, im Formationsflug auf die Reise zum Mars geschickt werden. Dafür sollte ein Träger mit einer Startkapazität von 500 t in eine Erdumlaufbahn entwickelt werden, der auf der in Entwicklung befindlichen Falcon Heavy beruht. Das eigentliche Marsgefährt soll dann im Weltraum aufgetankt werden, um Startmasse zu sparen. Natürlich muss der Treibstoff zuvor -mit demselben Träger- in den Weltraum befördert werden.
Wenn man einmal davon absieht, dass sowohl Sinn als auch die Machbarkeit einer Besiedelung des Mars -und später anderer Planeten- nicht einmal von allen Mars-Enthusiasten eingesehen wird (zu denen der Autor dieses Artikels gehört), enttäuscht der Vorschlag von Musk, der gerne selber noch zum Mars fliegen würde, wegen seiner vielen Fragezeichen oder sogar naiven Unterschätzung der tatsächlichen Problematik:
- Musk möchte seinen neuen 500 t in den Weltraum befördernden Träger tausendmal wiederverwenden. Das ist eine der Voraussetzungen, um die Marsmission auf kommerzieller Basis finanzieren zu können. Was Musk will. Unter anderem damit kommt er rein rechnerisch auf Transportkosten in der Größenordnung von 100.000 $ pro Passagier, was er gerade noch für zumutbar hält für jemanden, der auf den Mars auswandern möchte. Mit derzeit verfügbarer Technik wären die Transportkosten je Passagier um mehrere Tausendmal (!) höher.
- Die Anzahl der Triebwerke, die er für seine Superrakete benötigt, erinnert fatal an die russische N1 Rakete mit ihren 40 Triebwerken, die es nie in den Weltraum schaffte wegen der technischen Problematik, die sich aus der Bündelung so vieler Triebwerke ergibt
- Die angestrebten Kosten je Passagier von 100.000 $ je Marsflug sind aber eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Marsbesiedelungskonzepts von Musk, da jeder Passagier das bezahlen muss, um das von Musk angenommene kommerzielle Kostenmodell zu befriedigen
- Die einzige Basis für die mehr als kühne Annahme für die Wiederverwendbarkeit ist die bisher zweimal gelungene Rückführung der ersten Stufe der Falcon 9 zum Startplatz. Es muss sich erst noch zeigen, ob das wirklich die von Musk erwartete Startkostenreduzierung ergibt, da die rückgeführte Raketenstufe mit Sicherheit einer kostspieligen Wartung unterzogen werden muss. Musk spricht für die Falcon 9 von bis zu hundertfacher Wiederverwendbarkeit. Aus der Kenntnis von Raketentechnik heraus lässt sich das nicht nachvollziehen. Die unvermeidliche Gewichtserhöhung, die sich bei einer so wesentlichen Erhöhung der erforderlichen Zuverlässigkeit ergeben würde, würde schnellstens die Nutzlast auf Null sinken lassen. Man muss bedenken, dass aufgrund der Erdanziehung und der verfügbaren Raketentechnologien nur etwa 1 bis 2% des Gesamtgewichts eines Trägers beim Start als Nutzlast in eine Erdumlaufbahn zur Verfügung stehen, zum Mars ist noch einmal nur weniger als die Hälfte
- Soweit es eine Wiederverwendbarkeit von Triebwerken betrifft, gibt das Shuttle Programm ein warnendes negatives Beispiel: Die Haupttriebwerke sollten bis zu 20 mal wiederverwendbar sein, um Kosten zu sparen. Tatsächlich mussten die Triebwerke nach jeder Mission aus Sicherheitsgründen total zerlegt und gewartet werden, sodass am Ende möglicherweise sogar ein neues Triebwerk billiger gewesen wäre, wenn man die Kostenreduzierung bei Serienfertigung in Betracht zieht
- Die Betankung von einem voll mit Passagieren besetzten Marsvehikel im Weltraum ist nicht leicht zu bewerkstelligen und erscheint sehr gewagt. Es ist kaum vorstellbar, dass so ein Konzept jemals die in der bemannten Raumfahrt üblichen Sicherheitsüberprüfungen überstehen würde, zumal es sich hier nicht um die üblichen Astronauten handelt, die sich einer Überlebenschancen von maximal 90% bewusst sind, sondern um „normale“ Passagiere, für die eine viel höhere Überlebenschance gelten muss
- Ein „Terraforming“ des Mars ist ein beliebtes Steckenpferd der Mars-Enthusiasten. Da will man in ein paar Hundert Jahren eine Atmosphäre schaffen, die dann wahrscheinlich noch nicht einmal atembar ist, sodass Menschen immer noch in einem Raumanzug herumlaufen müssten
- Das Problem der tödlichen Strahlung bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mars ist auch mit einer Atmosphäre nicht gelöst, da die Strahlung auf der Erde hauptsächlich durch das Erdmagnetfeld abgehalten wird. Ein solches Magnetfeld hat der Mars aber nicht
- Schliesslich ist keineswegs sicher, dass Menschen auf Dauer unter der geringeren Schwerkraft des Mars gesund überleben. Die Erfahrungen auf der ISS sprechen eher dagegen
- Die auf dem Mars erforderliche Infrastruktur für Millionen Menschen entspricht in erster Näherung der einer mittleren Großstadt. Wie soll das gehen? Wer soll das bezahlen? Wie lange soll das dauern? Utopisch!
Auch Dr. Robert Zubrin, der Mars Society Gründer und Präsident der auch an eine Marsbesiedelung glaubt, distanziert sich relativ vorsichtig (er und Elon Musk kennen sich gut) von dem Konzept Elon Musks. Seine Einwände und ein Gegenvorschlag können hier nachgelesen werden.
Fazit des Autors dieses Artikels: die Menschheit wird ihre Probleme wohl hier auf der Erde lösen müssen. Eine „space faring species“ ist sie wohl eher nicht.
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