18. Mars Society Konferenz: Das Mars One Projekt zur Besiedlung des Mars ist nicht machbar!
MarsOne Webseite
Während der 18. Mars Society Konferenz in Washington hat sich die Mars One Organisation, die über eine Reihe bemannter Missionen mit jeweils 4 „Marsianern“ ohne Rückkehrmöglichkeit zur Erde eine Kolonie auf dem Mars errichten will, erstmalig einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Raumfahrtexperten gestellt. Mars One will eine erste Mannschaft bereits 2027 auf den Mars landen und bis dahin alle dafür erforderlichen Infrastrukturen auf dem Mars bereit haben. Das alles für 6 Milliarden $ für die erste Mission und 4 Milliarden $ für jede weitere.
Die gesamte Podiumsdiskussion kann hier noch live nachverfolgt werden. Die Fachpresse berichtete darüber unter anderem hier und hier.
während der Podiumsdiskussion
Anlass der Debatte war eine Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), in der nachgewiesen wurde, dass das Mars One Konzept nicht umsetzbar ist innerhalb des geplanten Kosten- und Zeitrahmens. Teilnehmer der Debatte waren Mars One Präsident Bas Landsdorp, der seinen Chefingenieur Barry Finger mitgebracht hatte, sowie die beiden Verfasser der Studie, die MIT Doktoranden Sydney Do und Andrew Owens.
Die Debatte wurde vom Gründer und Präsidenten der Mars Society Dr. Robert Zubrin moderiert.
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (von links nach rechts: Sydney Do, Andrew Owens, Robert Zubrin, Barry Finger, Bas Landsdorp)
Die Podiumsdiskussion wurde durch zwei jeweils 20-minütige Vorträge der beiden „Parteien“ –MIT und Mars One- eingeleitet, gefolgt von einer Diskussion und Fragen aus der Zuhörerschaft. Insgesamt ergab die Debatte ein klares Bild: Mars One unterschätzt dramatisch die Notwendigkeit umfangreicher Technologie-Entwicklungen und Erprobungen und berücksichtigt nicht die speziellen Anforderungen an die Logistik der Mission, die sich aus der erforderlichen Autonomie und Zuverlässigkeit aller Installationen auf dem Mars aufgrund der großen Entfernung des Mars von der Erde ergeben. Beides sind entscheidende Entwicklungs- und Kostentreiber, die Technik, Kosten und Termine des Mars One Konzept infrage stellen.
Die wesentlichen Schlussfolgerungen sind hier zusammengefasst:
- existierende Technologien, die Mars One ohne große Änderungen übernehmen will, müssten zuerst –mit ungewissem Ausgang- durch umfangreiche Entwicklungsarbeit an die Anforderungen auf dem Mars angepasst werden. Zum Beispiel ist eine einfache Übernahme des Lebenserhaltungssystems der ISS, wie von Mars One geplant, aufgrund dessen geringer Zuverlässigkeit nicht möglich. Zurzeit müssen alle 3 Monate Ersatzteile zur ISS geschafft werden.
Der Mars One Mondrover
- ein besonders eklatantes Beispiel für die Missachtung bzw. Unkenntnis raumfahrttechnischer Gegegebenheiten und Anforderungen betrifft den von MarsOne vorgesehenen Mondrover. Das soll eine „eierlegende Wollmilchsau“ sein die alles kann: Mannschaft beherbergen, Erdarbeiten durchführen, weite Strecken zurücklegen etc. Dabei wird behauptet, dass dessen Entwicklung aufgrund der Erfahrungen mit CURIOSITY kein Problem wäre und deshalb kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt. Was für eine eklatante Fehleinschätzung: der MarsOne Marsrover ähnelt CURIOSITY in seinen technischen Anforderungen und Herausforderungen etwa so wie ein Citroen 2CV einem alltagstauglichen Elektroauto der Mercedes S Klasse, das 1000 km ohne Nachladen fahren und auch noch fliegen kann! Und soweit es die Kosten für die Entwicklung eines solchen Mondrovers betrifft: alleine das auf dem Mars befindliche Modell von CURIOSITY hat 1,3 Milliarden $ gekostet, und dessen Entwicklung ein Mehrfaches! Zur Erinnerung: MarsOne will die erste Stufe der Marsbesiedlung mit insgesamt 6 Milliarden $ bewerkstelligen.
- Bei der Entwicklung der ISS wurde davon ausgegangen, dass die ISS zu Reparaturzwecken und notfalls zur Evakuierung in wenigen Tagen erreichbar ist, der Mars jedoch nur etwa alle zwei Jahre, was einen enormen zusätzlichen technischen und Entwicklungsaufwand für die Marskolonie erfordert
- Wartung und Ersatzteilbevorratung werden in dem Mars One Missionsvorschlag weitgehend ignoriert. Seriöse Analysen des MIT zeigen aber, dass alleine die erforderliche Ersatzteilbevorratung, selbst im Fall einer Erhöhung der Zuverlässigkeit von Ausrüstungen gegenüber dem derzeitigen Stand der Technik, eine kontinuierliche Versorgung von der Erde etwa alle zwei Jahre erforderlich macht, deren Umfang mit der Erweiterung der bewohnten Marsbasis proportional ansteigt. Auf der Erde müssten die Möglichkeiten für die Herstellung von Ersatzteilen aufrecht erhalten bleiben. Das alleine würde Milliarden von $ erfordern.
- Ob eine Herstellung aller erforderlichen Ersatzteile auf dem Mars irgendwann einmal möglich sein könnte, ist ungewiss und würde enorme Installationen auf dem Mars erfordern vergleichbar mit den Produktionseinrichtungen der Hersteller auf der Erde, wobei sicherlich viele Rohstoffe dafür nach wie vor von der Erde zum Mars transportiert werden müssten
- Mars One glaubt, die geplanten Missionen und die Aufrechterhaltung der Marskolonie aus privaten Zuwendungen und Übertragungsrechten für die Medien finanzieren zu können. Es ist aber eine Illusion davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse und die Bereitschaft von Sponsoren zur Finanzierung auf Dauer aufrecht erhalten werden können, selbst wenn die für die erste Mission erforderliche Entwicklung und der Transport der Infrastruktur und Mannschaft zum Mars so finanziert werden könnten. Das öffentliche Interesse an den APOLLO Missionen zum Mond hatte seinerzeit bereits nach einigen Jahren soweit nachgelassen, dass schließlich die letzten geplanten Missionen von der NASA annulliert wurden. Das ist für den Fall der Marsbesiedlung nicht möglich, ohne das Leben der „Marsianer“ zu gefährden.
Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt am Mars One Vorhaben ist, dass das Projekt als umsetzbar dargestellt wird, lediglich aufgrund eines Definitionstands, den Mars One selbst mit „Pre-Phase A“ angibt. Das entspricht in der ESA Terminologie einer ersten Vorstudie, aufgrund derer erst einmal entschieden wird, ob überhaupt ein solches Projekt in Angriff genommen wird. Selbst für eine ESA Pre-Phase A Studie muss jedoch viel mehr „Substanz“ geboten werden, als Mars One für ihr Projekt vorweist. Mars One stellt ihr Projekt aber in ihren Texten auf der Webseite so dar, als wenn es sich dabei bereits um ein nachprüfbar umsetzbares Konzept handelt. Auf dieser Basis eine sogenannte „Astronaut Selection and Preparation“ vorzunehmen, ist irreführend und unseriös, dient alleine „public relations“ Zwecken und muss früher oder später von Mars One zurückgenommen werden.
Epilog:
Das grundsätzliche Für und Wider einer Besiedlung des Mars wurde nicht diskutiert. Über dieses Ziel sind sich ja MarsOne und die Mars Society sogar einig. Insofern erbringt die Diskussion um Mars One für jedes mögliche Missionsszenario erhellende Erkenntnisse über den Entwicklungsaufwand, den eine dauerhafte Besiedlung des Mars tatsächlich erfordert.
Zusätzlich muss sich jeder Einzelne Marsbesiedlungsfan folgenden Fragen stellen: warum sollten Menschen jemals dazu in der Lage sein, auf dem Mars eine „bessere Welt“ zu errichten –was häufig als Grund angegeben wird-, als das offenbar auf der Erde möglich ist? Und das auf Dauer und unter Lebensbedingungen, die unendlich viel schwieriger, gefährlicher und herausfordernder sind als auf unserer schönen Erde?
Anhand der Geschichte der USA kann man lernen, dass der Aufbruch der Europäer in die „neue Welt“ langfristig nur wenigen der Beteiligten zu Glück, Zufriedenheit und Wohlstand verholfen hat. Die gemeinsame Erschaffung dieser „neuen Welt“ in den USA hat weder Hass noch Missgunst und blutige Kriege aus der Welt schaffen können. Sollte das nun auf dem Mars alles anders werden? Müsste dazu nicht zuerst eine „neuer Mensch“ geschaffen werden?
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